ADS - ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität)
DefinitionMögliche Ursachen
Woran können Sie ADS - ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität) erkennen?
Therapie
Definition
Schon im Jahre 1845 hat der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann in seinem bekannten "Struwwelpeter" die wichtigsten Symptome beschrieben.Es handelt sich nach heutigem Kenntnisstand um eine Stoffwechselstörung im Gehirn. Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom zeigt ein komplexes Störungsbild, einhergehend mit einer Dysregulation des Botenstoffwechsels, vor allem im Bereich Dopamin". Diese Substanz ist ein Botenstoff, der in einem bestimmten Areal des Gehirns den Menschen hilft, auszufiltern, was wichtig oder unwichtig ist. Sie hält uns dazu an, auf die innere "Bremse" zu steigen, vor allem auf die sogenannte Emotionsbremse. Man geht bei ADS und ADHS davon aus, dass nicht nur der Dopaminbereich betroffen ist, sondern auch die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin eine Störung aufweisen.
Mögliche Ursachen
Man spricht von "Träumern (ADS)" oder "Zappelphilippen" (ADHS) wenn man versucht, die Symptomatik zu beschreiben. 4% aller Kinder, schätzen Wissenschaftler, werden mit dieser genetisch bedingten neurobiologischen Störung geboren. Unser Gehirn ist ein umfangreiches Netzwerk von Nervenzellen und Leitungsbahnen, die sich zu einem "Team" zusammenfinden. Hier werden alle ankommenden Informationen verschaltet, archiviert und wieder reaktiviert. Man spricht von der Wahrnehmungsverarbeitung. Je besser der Aufnahmefilter die Informationen auswählt und nach ihrer Wichtigkeit sortiert, um so besser kann das Netzwerk damit arbeiten und um so genauer und gezielter können die Informationen weitergeleitet und umgestaltet werden.. Wahrnehmungsverarbeitung, Vorschau und gezieltes Handeln hängen eng miteinander zusammen. Die Auswahl aus der Vielzahl der angebotenen Reize treffen wir jeden Moment, z.B.: Sie lesen ein Buch, währenddessen fährt draußen ein Auto vorbei, die Spülmaschine in der Küche macht sich bemerkbar, frischer Kaffeeduft verbreitet sich, die Kinder singen lauthals...Wenn Sie sich von dem Text, den Sie gerade lesen und Ihre Gedanken zum Thema fesseln lassen, dann bekommen Sie von den übrigen Reizangeboten nicht viel mit. Sie richten Ihre Aufmerksamkeit selektiv und bewusst auf diesen Text. Kinder mit ADS oder ADHS haben eine andere Art, Informationen aufzunehmen, zu sortieren, zu verarbeiten und abzuspeichern. Ihre Gefühlswelt schwankt zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Die Wahrnehmungsverarbeitung funktioniert nicht richtig. Bei der Reizinformationsaufnahme können die dafür zuständigen Gehirnareale die Reize nicht richtig selektieren. Das "Scharfstellen" funktioniert nur begrenzt, die Reizverarbeitung und Handlungsvorbereitung im Arbeitsspeicher reagieren wegen Überlastung fehlerhaft. Die verschiedenen Fachabteilungen verstehen die Nachrichten nicht immer genau und es kommt zu impulsiven Handlungen. Die Auswirkungen werden in den unterschiedlichsten Bereichen des Alltags bemerkt: Das Kind wird früh zum Außenseiter, meist schon im Kindergartenalter, wo es als "Störenfried" auffällt.. Es bekommt sehr viel mehr negative Rückmeldungen, erfährt mehr Ablehnung und wird häufiger ermahnt als andere Kinder. In der Schule bleibt das ADS/ADHS - Kind meist unter seinen intellektuellen Fähigkeiten und Begabungen. Bis zu 90% der Kinder können auch eine Lese- und Rechtschreibschwäche zeigen. Eine Lernstörung ist sehr auffallend, nämlich die Konzentrationsschwäche, die Unfähigkeit, länger bei der Sache zu bleiben. Die Kinder sind sensorisch und motorisch ungehemmt, es fehlt die normale Steuerung und sie wollen jedem Impuls nachgeben. Jeder Sinnesreiz ist gleich wichtig (der Vogel, der draußen vor dem Fenster zwitschert, das Kästchen, das sich öffnen lässt, das Spielzeugauto auf dem Fensterbrett, etc.). Wie können sich diese Kinder z. B. auf ein Diktat konzentrieren, wenn sie den zahlreichen Reizen hilflos ausgesetzt sind? Viele Kinder mit einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom brechen die Schule ab. Die Gefahr, drogenabhängig oder kriminell zu werden ist für ADS/ADHS - Jugendliche höher. Für Eltern stellt die Problematik eine starke Belastung dar. Sie fragen sich, was sie tun können, bzw. was sie falsch gemacht haben. Sie haben nicht das Gefühl, ihr Kind steuern zu können und befinden sich zusammen mit ihrem Kind in einem Teufelskreis.Diagnose
Die Diagnose beim Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit oder ohne Hyperaktivität ist nicht einfach zu stellen und bedarf einer sorgfältigen Untersuchung und zahlreichen Tests durch kompetente Fachleute. Die Symptomatik muss bereits seit mindestens einem halben Jahr bestehen und vor dem 7. Lebensjahr beobachtet worden sein. Hierbei gilt es u.a. festzustellen, um welchen Typ es sich handelt, d.h. ADS mit oder ohne Hyperaktivität. Entscheidend für die Diagnose ist das Gesamtbild des Kindes:Die bisherige Lebensgeschichte, d.h. Fremd- und Eigenanamnese. Wie sieht der Alltag mit seinen Höhen und Tiefen aus? Welche Ressourcen und Talente hat Ihr Kind?
Das Verhalten in verschiedenen Situationen
Die Entwicklungsschritte, Kommentare von ErzieherInnen und LehrerInnen, Spielverhalten, Aufmerksamkeits-Spanne. Welche Sinneskanäle werden beim Lernen genutzt, welche Aufgaben gemieden? Bereits bei Kleinkindern kann man folgende Bereiche abklären:
- Denkentwicklung, z.B. logisches Denken, Merkfähigkeit
- Sprachentwicklung, werden schon alle Laute gesprochen und längere Sätze formuliert
- Bewegungsentwicklung: Kann sich das Kind koordiniert bewegen oder ist es tollpatschig, wie sieht die Feinmotorik aus?
- Sozial-emotionale Entwicklung: Sind Kontakt- und Arbeitsverhalten altersgemäß? Wie sieht das Selbstbewusstsein aus, wie kann Ihr Kind Anforderungen meistern, wie selbstständig ist es, wie lange kann es sich mit einer Sache beschäftigen, wie gut ist es in einer Gruppe integriert?
Die Arbeitsstrategien beim Lösen von Aufgaben
Die Ergebnisse der psychologischen Testung, z.B. Fragen zur Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität
Emotionalität
Die neurologische und körperliche Untersuchung, andere Krankheiten müssen ausgeschlossen werden können, Seh- und Hörtest. Evtl. eine neurophysiologische Untersuchung mit Messung der Hirnaktivität, die etwas über die Hirnreifung sagt.
Videoaufnahmen
Woran können Sie ADS - ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität) erkennen?
Säuglingsalter
- Ihr Kind ist etwas anstrengend, oft schwer zu beruhigen
- Sie brauchen wenig Schlaf
- Sie können ausgeprägte Koliken haben
- Die "einen" entwickeln sich schnell, die "anderen" langsam (sind spät gelaufen, verzögerte Sprachentwicklung)
- Wissensdurstig mit viel Temperament
- Es geht immer auf neue Entdeckungstouren
- Es will schon früh den eigenen Willen durchsetzen
- Die Zahl der Risikoschwangerschaften ist unter ADS/ADHS - Kindern erhöht
- Ungünstige Einflüsse während der Schwangerschaft, z.B. langanhaltender Stress, Substanzmissbrauch (Alkohol etc.)
Kindergartenalter
- Es hat ausgeprägte Trotzanfälle, reagiert bei Verneinung mit Wut, Aggressivität usw.
- Es will sich an keine Spielregeln halten
- Es schubst und haut andere Kinder und kann sich schwer in die Gruppe einfügen
- Es spielt meist den Boss und verdirbt sich damit Freundschaften
- Seine Ablenkbarkeit und sein Aktivitätsüberschuss machen es ihm schwer, z.B. am Stuhlkreis teilzunehmen, ruhig zu malen oder Spielideen gelassen zu akzeptieren
- Alles ist schnell langweilig, vieles wird angefangen, nichts richtig beendet
- Bevorzugt Bewegungsspiele, wechselt häufig von einer Beschäftigung zur nächsten
- Stolpert häufig, verschüttet immer wieder Getränke
- Zeigt im feinmotorischen Bereich wenig Geschick und Ausdauer
- Bastelt und malt ungern
- Ist leicht verletzbar, hat niedrige Frustrationstoleranz
- Muss Dinge rasch erledigen, zeigt wenig Ausdauer
- Zeigt Schwarz-Weiß-Denken
Schulalter
- Ihr Kind handelt ohne nachzudenken, lebt Gefühle sofort aus, kann nicht abwarten
- Ist entweder extrem zappelig oder schaut Löcher in die Luft
- Ist eigensinnig, stimmungslabil, kein gesundes Selbstwertgefühl, hat wenig Freunde
- Ist kaum in der Lage selbstständig zu arbeiten, fehlende Arbeitsstrategie
- Vergisst seine Schulsachen zu Hause oder in der Schule
- Kennt den Stundenplan nicht
- Weiß nie, welche Hausaufgaben auf sind
- Ist im Unterricht unkonzentriert, sucht ständig Bücher etc. im Ranzen
- Schlechtes Schriftbild
- Stört andere im Unterricht durch Zwischenrufe, kann nicht warten bis es aufgerufen wird
- Spielt den Kasper
- Kann nicht still sitzen, unkoordinierte Bewegungen
- Sitzt stundenlang am Computer, zeigt danach noch mehr Konzentrationsschwäche (aufgedreht)
- Unreifes Sozialverhalten
Viele Kinder zeigen neben ihren ADS/ADHS - Symptomen folgende Teilleistungsstörungen:
Motorische Schwierigkeiten
- Kein gutes Gleichgewicht
- Stürzt häufig und verletzt sich öfters als andere Kinder
- Hat öfters eine niedrige Schmerzwahrnehmung
- Verwechselt "rechts-links"
- Zeigt keine gezielte Bewegungsplanung- und Umsetzung
Sprach-Seh- und Hörstörungen
- Im Kinderarten werden die Wörter "lustig" ausgesprochen, z.B."detommen" statt "gekommen", redet manchmal Kauderwelsch
- Im Schulalter kann es passieren, dass es beim schnellen Erzählen durcheinanderkommt
- Wenn es aufgeregt ist, redet es sehr schnell und berichtet von Erlebnissen manchmal wir
- Hat teilweise ein schlecht ausgebildetes Kurzzeitgedächtnis
- Wirft die Reihenfolge von Ereignissen durcheinander
- Mangelndes phonologisches Bewusstsein, ähnlich klingende Laute werden verwechselt (z.B. d-t, g-k, p-b, o-u) deshalb viele Fehler im Diktat
Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie)
- Ihr Kind schaut flüchtig und hektisch auf einen Text oder ein Bild, seine Augen sind ständig in Bewegung, dadurch können Abschreibfehler verursacht werden
- Lautes Lesen gerät ins Stocken, es erkennt nur Wortfragmente, da die Blickfolge zu schnell erfolgt und der Blick nicht auf eine Zeile gerichtet ist
- Längere Texte lesen zu müssen ist Ihrem Kind verhasst
- Schlechte Deutschnote, Diktate werden verhauen
- Langsames oder hektisches Arbeitstempo
- Mangelhafte Lernstrategien
- Hausaufgaben dauern stundenlang, da Ihr Kind sich permanent ablenkt
- Schriftbild krakelig
- Durch eine eingeschränkte Figur-Grundwahrnehmung ist das Wiedererkennen von Figuren erschwert, z.B. das Erkennen von Wörtern in einem Buchstabensalat ist schwierig, ebenso das Einschätzen von Figuren in ihrer Größe und Raumlage
- Rechenschwäche/RS (Dyskalkulie)
Therapie
Kinder mit ADS/ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität) können ihre Ziele nur erreichen, wenn ein starkes Team von Bezugspersonen sie mit entsprechenden Konzepten und Trainingseinheiten unterstützt, d.h. Stärken und Schwächen müssen analysiert und ein Hilfeplan erstellt werden. Die meisten Kinder zeigen Kreativität, sprühen vor Fantasie und Ideen. Sie sind hochmotiviert - aber nur für Dinge, die sie interessieren. Die Motivation für Aufgaben, die von außen (Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen)gestellt werden, ist dagegen äußerst gering. Damit Ihr Kind seine täglichen Aufgaben erfüllt, braucht es Anerkennung und Förderung von allen Menschen, die mit ihm zu tun haben. D.H. ein Team (Eltern, Geschwister, Verwandte, ErziehrInnen, LehrerInnen, Kinderärzte, Therapeuten) müssen gemeinsam mit dem Kind an "einem Strang" ziehen.Sie müssen...
- wissen, dass das Kind ein ADS/ADHS - Kind ist
- wissen, was ADS/ADHS ist - und was es nicht ist
- bereit sein, sich mit ADS/ADHS ernsthaft auseinanderzusetzen
- bereit sein, mit den anderen Teammitgliedern konstruktiv zusammenzuarbeiten
Die Ziele können sein:
- Positive Erfahrungen sammeln
- Das Meistern von Anforderungen, realistische Ziele setzen
- Einheitliches Erziehungskonzept
- Entwicklungsfortschritte
- Lernerfolge
Geeignete Maßnahmen
- Wahrnehmungsübungen
- Konzentrationstraining
- Denktraining
- Geschicklichkeitsübungen
- Verbesserung der Motorik durch gezieltes Aufmerksamkeitstraining und psychomotorische Übungen zur Körperwahrnehmung
- Ihr Kind sollte motiviert werden, eine geeignete Sportart regelmäßig auszuüben, z.B. Judo, dass u.a. die koordinativen Fähigkeiten fördert und das Selbstbewusstsein stärkt
- Stressabbau durch Entspannungstraining (Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Fantasiereisen, Mentales Training, Yoga)
- Aufbau des Selbstwertgefühls
- Marburger Verhaltenstraining - das Training basiert auf Interventionen, die Fertigkeiten trainieren, um den Alltag angemessen bewältigen zu können - auch mit Hilfe von Selbstinstruktion, unangemessene Verhaltensweisen , z.B. aggressive bzw. antisoziale Verhaltensweisen sollen abgebaut und die hohe Ablenkbarkeit reduziert werden
- Vermittlung von Arbeits- und Lernstrategien
- Hilfeplan und gegebenenfalls Wochenplan erstellen
- Individuelles Förderprogramm bei vorliegender Legasthenie und oder Dyskalkulie
ADHS/ADS - Kinder brauchen
- mehr Unterstützung bei der Organisation ihres Alltags
- mehr klare Regeln implizieren Struktur und Disziplin
- mehr Konsequenz
- unmittelbare Rückmeldung über ihr Verhalten
- mehr Geduld
- mehr Liebe und Zuwendung
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